Geschichten über Nächte
in denen wir vergessen wer wir sind.
Die uns zum neu erfinden zwingen,
weil wir uns aus unseren Hüllen
pellen,
uns freimachen von Zwängen
und alles nochmal überdenken.
Ich hab noch nie zuvor gesehen,
wie winzig Sicherheitskräfte sind,
wenn man ganz oben
auf einem beleuchteten Förderturm
sitzt
und wie fiepsig ihre Stimmen klingen
wenn sie brüllen:
„ihr kommt jetzt sofort da runter,
oder wir holen die Polizei!“
Hab noch nie zuvor gesehen,
wie grell nackte Hintern strahlen,
bevor sie auf tiefschwarzes
Badeweiherwasser auf knallen.
Und auch nicht,
dass man zu viert auf einem Fahrrad
sitzend,
die Reeperbahn hinunter brausen kann,
Cola- und Kirschlollies an Passanten
verteilend.
Ich hab noch nie zuvor gehört,
wie laut Jungs gröhlen,
wenn sie in Hotdogkostümen auf
Skateboards
durch leergefegte Einkaufszentren
rasen,
hab noch nie zuvor gehört,
wie lautstark sich Wohnungsbewohner
aufregen,
wenn man seinen Haustürschlüssel
vergisst,
das Stockwerk verpeilt, ein Schloss
knackt
und dann im falschen Wohnzimmer
Chips essend auf der Couch sitzt.
Und auch nicht,
wie schön Musik klingt,
wenn man ein paar Lampen und Boxen
in einen Wald schleppt und feiert.
Ich hab noch nie zuvor gefühlt,
wie der Verschlussknopf eines 63er
Chevrolet
unterm Finger nachgibt
und ich weiß nicht
wie man son Ding kurzschließt
/und das ist wohl auch besser so./
Hab noch nie zuvor gefühlt,
wie kalt das Wasser in Grachten ist
und das man nur zur Hälfte in Wasser
zur anderen in Morast steckt
und auch nicht
wie es ist Walzer
in verlassenen Ballsälen zu tanzen,
durch ein klaffendes Loch in der Decke
scheint der Mond
und auf den Bänken ranken Ranken,
ranken sich die Decken hoch,
bis zum Mond.
Ich hab noch nie zuvor geschmeckt,
die Mischung aus metallischem Blut und
Dreck,
und wenn der Mittel dem Zweck dient,
dann sind vier Schals nichts das
richtige Mittel
für eine Affenschaukel.
Hab noch nie zuvor geschmeckt,
wie dick Nebelmaschinennebel auf 12
Quadratmetern wird
und das dichter Nebel aus einem
geöffneten Fenster
garantiert alle Nachbarn zum Anruf bei
der Feuerwehr motiviert.
Und auch nicht,
die Kombination von Pizza, Döner,
gebratenen Nudeln
und dem schlimmsten Sodbrennen, dass
die Welt je erlebt hat.
Ich hab noch nie zuvor gerochen
den Duft von verklärten Gedanken,
wenn die ersten Sonnenstrahlen
Clubverlasser küssen.
Hab noch nie zuvor gerochen,
den Geruch von Keuchen und Schweiß,
beleuchtet von Straßenlaternen hinter
Fenstern
mit halb zugezogenen Vorhängen.
Und auch nicht,
den Angstschweiß von Passanten,
wenn sich auf offener Straße rund 20
Tüten Brause,
ihren Weg schaumig aus einem Magen
bahnen.
Ich hab noch nie zuvor gesehen, gehört,
gefühlt, geschmeckt, gerochen,
wie es ist
mit jeder einzelnen Faser lebendig zu
sein
und es hat Jahre gedauert,
bis ich begriff was es meint,
sich in einem Moment zu manifestieren,
das ist,
im Verlauf des Geschehens zu verlieren.
Ich hab geflucht, gelacht, geweint,
gehasst, geliebt,
gemeint, da müsse sich noch soviel
mehr verbergen,
hinter den Bergen meiner jugendlichen
Angst davor
irgendwann zu sterben,
ohne richtig gelebt zu haben.
Aber was soll ich sagen,
das war alles Quatsch.
Denn jeder Moment ist schlussendlich
das,
was du aus ihm machst,
ob du ihn fühlst,
ob du zitternd erbebst,
ob du dich gerade
zwischen den Zeilen
deiner eigentlichen Biographie bewegst.
Leben ist all das was du erlebst,
und die Erkenntnis darüber ist so
einfach,
man könnte meinen,
dass das jeder auf Anhieb versteht.
Also warum noch warten?
Es ist Zeit sich zu erheben,
sich zu verändern, zu überdenken,
Zeit nicht nur Gedanken daran
wer man war und wer man wird
zu verschwenden.
Jeder Einzelne hat die Wahl
und für jeden anderen außer dich ist
es egal
was du dir vornimmst mit deiner Zeit
anzustellen.
Also lebe, lebe, lebe, lebe, lebe,
lebe, lebe, lebe, lebe, lebe, liebe, lebe, lebe, lebe, lebe, stirb.