Über einen gelangweilten Wochenendeinfall,
von zwei alltagsverschreckten Teenagern,
entfacht ein Funke diesen Hinterhof.
Erst lodert nur das alte Laub,
letzten Herbst hereingeweht,
als wir noch dem Sommer hinterher träumten.
Dann fangen die Kisten an zu schwelen
und unsere vergessenen Gedanken
knistern in der Abendsonne.
Sie qualmen hinfort
und verschwinden über den Zinnen der Dächer.
Jetzt brennen auch die Bretter,
die einst, nicht verrückt zusammengestellt,
eine Idee von Heimat waren.
Auch der antike Diwan blakt dahin,
auf dem soviele Hintern
Gedanken ausbrüteten.
Flammen malen die Wände schwarz
und das wird alles sein,
was von unserer Vergangenheit bleibt,
bis der Streicher kommt.
Donnerstag, 7. August 2014
Samstag, 12. Juli 2014
Mantra
Es sind Ödnisse,
vage Silhouetten hinter Milchglas.
Aquamarine Illusionen,
projiziert durch mißgönnende Neuronen.
Im Volksmund: Hirngespinste.
Reichen sich die Hände im Reich derer,
deren Hände schon gebunden sind.
Und in der hintersten Reihe applaudiert verblüfft ein Kind.
Mit Stiften lässt sich das nicht zeichnen,
es ist eine Sammelidee: Dilemmas.
Warum macht man da bereitwillig mit?
Die Antwort liegt verschütt gegangen,
mit dem Rest der Jugend im Keller.
Wichtig ist,
nicht den Kopf zu verlieren,
denn unter all den verlorenen Häuptern,
findet man den eigenen bestimmt nicht wieder.
vage Silhouetten hinter Milchglas.
Aquamarine Illusionen,
projiziert durch mißgönnende Neuronen.
Im Volksmund: Hirngespinste.
Reichen sich die Hände im Reich derer,
deren Hände schon gebunden sind.
Und in der hintersten Reihe applaudiert verblüfft ein Kind.
Mit Stiften lässt sich das nicht zeichnen,
es ist eine Sammelidee: Dilemmas.
Warum macht man da bereitwillig mit?
Die Antwort liegt verschütt gegangen,
mit dem Rest der Jugend im Keller.
Wichtig ist,
nicht den Kopf zu verlieren,
denn unter all den verlorenen Häuptern,
findet man den eigenen bestimmt nicht wieder.
Sonntag, 29. Juni 2014
Trott
In einer Welt voller Missverständnisse,
da gibt es auch uns,
auf halber Strecke.
Wo man noch mit fast geschlossenen Augen spricht,
um die Stiche der Worte zu lindern,
gar nicht so leise im Halbschatten.
Da können etliche Kilometer
zwischen Mund und Ohr liegen,
auffallen würde es doch nicht,
bei all dem Chaos,
das wir uns beibringen.
Tiefer in den Tag hinein,
zuversichtlich,
noch das ein oder andere reißen zu können.
Zerreißen, aufreißen, am Ende der große Abriss.
Hier wird zusammengezählt,
jeder für sich allein.
Wer dann die meisten Punkte hat,
vergeht trotzdem.
Samstag, 14. Juni 2014
Aquincum
I
Es war das erste und letzte Mal, dass
Marcel Acid nahm.
Der Wind schlug ihm feindselig ins
Gesicht, als wolle er gerade ihn strafen.
Strafen für alles was er getan hatte.
Marcel zerrte an seiner Kapuze, die
bereits den Großteil seines Kopfes bedeckte; sie sollte noch enger
sein, noch einschließender, verbergender.
Er wünschte sich unter tränenden
Augen von ihr verschluckt zu werden, ein tiefes Fallen in die
unscheinbare, geheime Welt, die sich im Innern der Jacke verstecken
mochte.
Und dann Ablass, Stille von all den
tosenden und schreienden Geräuschen, welche unablässig versuchten
in die Fasern des Kleidungsstückes einzudringen.
Nur noch diese letzte Bastion, die das
Geschöpf vor Nacktheit und Hilflosigkeit schützten, entrückt
wandernd ohne Ziel.
Von rechts stechende schwarze
Uferkälte, scheinheilig dahinplätschernd vor ungescholtenen,
verhöhnenden Lebensmutes.
Was aber wirklich wie Wasser wirkte
waren die gruselig schaukelnden Lichtfetzen, verloren von wenigen
irrsinnig umhergeworfenen Straßenlaternen, denen nichts anderes
übrig blieb, als auch unter dem Druck der boshaften Böen noch
hoffnungslos zu versuchen den schmalen, mit Kieseln bedeckten
Promenadenweg zu erleuchten.
Gleich einer kitschigen Karikatur
schwankte die einsame Gestalt des jungen Mannes den knisternden Pfad
entlang. Gierig nach Realität und zugleich müde all dessen, was
eben jene mit sich brachte.
II
Fünf Stunden zuvor.
Quirrelige Erwartung von der Art, wie
sie sich in einer Warteschlange breit zu machen pflegt.
Wochenende, alles aus sich
herauspressen, dass sich im Laufe der Woche in den Körper eingekeimt
hat.
„Heute ist DIE Nacht. Heute geht
alles!“ rief Jerome.
Alle Freunde der kleinen
Partygemeinschaft und auch Marcel stimmten lauthals in diesen Aufruf,
der mehr Gefühl gewesen zu sein schien, überein.
Der dröhnende Bass hinter den massiven
Wänden des Clubs kitzelte bereits jetzt an ihren Füßen und je
näher sie dem Eingang mit der Instanz des durchaus zu fein
gekleideten Türstehers zu kommen schienen, desto mehr leerten sich
ihre Köpfe von all den kleinen Sorgen, die ihren Alltag bestimmten.
Nur Sandra, Marcels kleine Schwester,
schien ein wenig verstimmt oder aber zumindest nicht so ausgelassen
wie es sonst ihre Natur war, wofür sie einen kecken, aber durchaus
nett gemeinten Seitenhieb von Jerome einzustecken hatte.
Schnell verteidigte Marcel sie, wie es
in seiner behütenden Art als Bruder lag. Sandra jedoch, die sich
sonst gut selber zu helfen wusste, starrte ihn nur mit großen
wässrigen Augen an.
Solche Dinge konnte man getrost als
kleine soziale Lappalien abstempeln, wenn man sich in Kreisen zu
bewegen pflegte, in denen von Zeit zu Zeit E's und anderes die Runde
machte.
„Der Scheiß macht aus unseren Köpfen
Kompott, ich sag's euch!>“ Hatte Raph, der unruhig mit zuckenden
Gesichtsmuskeln zwischen den anderen dahinvegetierte in einem seiner
wenigen hellen Momente gepredigt.
Sie waren ein verdrehtes Bild
freundschaftlichen Hintergehens, konnten sich selten in die Augen
blicken, ohne sie gleich wieder beschämt abzuwenden.
Aber wenn es darum ging zusammen zu
feiern, dann war ihnen jede Lüge recht, schließlich wollte man
nicht ganz und gar allein sein, obwohl jedem von ihnen an graueren
Tagen zweifelnde Gedanken durch den Kopf geschossen waren.
Die Gruppe bewegte sich in der Schlange
vorwärts und leere Flaschen wurden an den Rand gestellt, auf ein
kurzes Wiedersehen, wenn es irgendwann wieder nach Hause gehen
sollte.
Gleichsam mit dem Fortschreiten stieg
auch die Aufregung, denn zum ersten bestand immer jene winzige
Gefahr, dass an der Tür verkündet wurde heute sei nicht ihre Nacht
und zum zweiten legten sich die feuchten Ausdünstungen der Diskothek
brennend auf die Gestirne der Wartenden und entfachten ihre Körper
mit einer noch heißer lodernden Erwartung auf eine der Nächte, von
denen sie schon tausende erlebt hatten und auf der Suche nach noch
größeren Kicks weitere erleben würden.
Marcel wusste sich beobachtet und warf
einen Seitenblick in die Richtung seiner Schwester, die ruckartig
ihren zärtlichen, blond beschopften Kopf nach vorne schleuderte.
Diese Hast in ihrem Wesen war auch für
ihn gänzlich neu und trotz all der gefallenen Worte durchaus
erklärbar. Hoffentlich würde sich ihr Verhalten wieder
normalisieren, denn...
„Ausweis?“
Der Türsteher schnauzte ihn in
beruflich aufgesetzter, perfektionierter Manier an. Ob diese Leute
wohl auch privat unausstehlich waren?
In seinem Portmonee schien sich ein
schwarzes Loch aufgetan zu haben, wie wild suchte er zwischen kleinen
Plastikbeuteln, Kassenbons und unerklärlichen Krempel nach dem
begehrten Dokument. Nur keine Zeit verlieren, die Geduldsspanne des
Menschenaffen im Anzug ist bekanntlich kurz.
Schließlich tauchte er auf und wurde
blöd grinsend vorgezeigt.
Auf ins Abenteuer.
III
Inmitten der triefenden Menschen
tanzten ausgelassen zuckende, blitzende Farben in der Manier eines
perversierten Regenbogens. Schwarze Mäuler spien
Rauchschwadenflakschiffe, die sich zwischen Straßenschmutzbemalten
Schuhen auf der Mischung von Dreck und Boden schlafen legten.
Über allem herrschte der Bass wie ein
dunkel allgegenwärtiger Despot mit feurig schwarzen Augen, der eine
Armee von wirren Klickgeräuschen, stürmischen Heads und
peitschenden Snares unter seinem Umhange, die wütende Masse der
Feiernden in einem nie enden wollenden Marsche vor sich her trieb.
Das war Techno. Deswegen waren sie
hier.
Und all diese Menschen verband eine
gemeinsame Sache. Eine Frage. Ein Suchen nach etwas, von dem sie
selbst nicht wussten was es war.
Denn auf die verschiedensten Weisen
fehlten ihnen allen derselbe Teil, den sie hier auszufüllen, oder
schlichtweg zu vergessen suchten.
Der Weg zur aphrodisierenden
Selbstvergessenheit, gepflastert mit unzähligen Kippen,
unbenennbaren Synthetika und belanglosen Zwischensequenzen, bis der
einnehmende Bass wieder einsetzte, um einen das letzte bisschen
Vernunft aus dem Schädel zu pusten.
Genau hier auch Marcel mit seinen
Leuten, schon kurz nach dem Betreten die Zeit vergessen und jetzt
verschwitzt ausgelaugt durchatmend.
Die jungen Menschen sahen sich an und
lachten fröhlich über ihre lässige Unbedachtheit.
Jerome hatte sich ein Mädel
abgegriffen, der er, leicht separiert im Hintergrund sitzend,
stammelnd rein erfundene Heldengeschichten auftische, die sie ihm
naiv von den Lippen leckte.
Raph war schon in den ersten zehn
Minuten auf nimmer wiedersehen aufgesprungen und bis dato diesem
Abgang getreu auch nicht wieder aufgetaucht.
Der Rest von ihnen schnaufte alles
herunter, was von klein bis groß geschehen war und Marcel hörte dem
Ganzen desinteressiert mit einem Ohr zu. Seine Aufmerksamkeit galt
allerdings eher Sandra, die ein Stück fernab von Allem, (so schien
es) abseits der Gruppe stand und mit ihren kleinen Augen große
Löcher in die dunstige Atmosphäre starrte.
Das Leben war für Marcel eine
schaurige Maskerade. Ein Danse Macabre, dem er sich immer und immer
wieder hilflos gegenüber ausgesetzt fand. Oft wollte er das alles
nicht mitmachen, einen Schlussstrich unter allem setzen was bisher
die Summe der Erfahrungen seines Seins darstellte und neu anfangen.
Besonders jetzt.
Sandra wandte ihm ihren Kopf zu und
ihre Blicke trafen sich. Dieses mal schaute sie nicht weg und das war
noch viel schlimmer, denn der Spiegel ihrer Seele offenbarte eine
Trauer und Verlorenheit, die viel tiefer zu sitzen schien, als dass
man sie hätte herausschneiden und wegwerfen können.
Etwas war gänzlich falsch gelaufen und
ohne das es ausgesprochen war, wusste Marcel, dass es mit ihm zu tun
hatte. Ja, dass es sogar seine Schuld war.
Diese traurigen Augen durchfluteten
ihn, spülten ihn schier hinfort und er konnte fühlen, wie sich die
Luft in seiner Kehle verflüchtigte. Er würde ertrinken, hier und
jetzt untergehen, niemand anderes würde davon Notiz nehmen. Das
Röcheln nach Luft zwischen den immer kürzer werdenden Momenten in
denen die Flut nicht versuchte seinen Körper unter sich zu drücken.
Es war nicht auszuhalten, der
verzweifelte Hilfeschrei versiegte noch bevor er die Stimmbänder
erreichte, gleich sollte es vorbei sein.
Doch dann trug Sandra ihre Augen wieder
an eine andere Stelle des Raumes und das sich aufbäumende Meer
versiegte zu einem kläglichen Rinnsal und einem unerklärlichen
Durst, der so stark war, dass er die Beine wie von selbst in Richtung
Bar drückte.
Überall zuckende Extremitäten und
Blitze, keine Menschen mehr, sondern alles eins. Zusammengeschweißt
durch grollendes Gewummer.
Seelengewitter, Körpergewitter,
Kopfgewitter.
Am Tresen angekommen lehnte sich Marcel
etwas erschöpft auf ebenjenen. Wird man aus diesem Kosmos
geschleudert, dann befindet man sich in der Umlaufbahn und dort ist
alles schwarz dachte er und suchte die Aufmerksamkeit des taumelnden
Typen auf der anderen Seite, der sich rigoros an den herumstehenden
Schnapsflaschen bediente.
„Ey man!“
Perplex verdrehte der trinkende Barmann
seinen Hals und versuchte auszumachen aus welcher Richtung er
angerufen wurde. Links, rechts, sogar nach oben schaute er und wirkte
dabei, als wäre er wirklich davon überzeugt, dass die Möglichkeit
bestünde, jemand könnte über ihm schwebend einen Drink ordern
wollen. Dann schien seine Aufmerksamkeitsspanne überstrapaziert und
er schickte sich bereits an wieder eine der Flaschen zu ergreifen,
wurde dabei aber durch Marcels wiederholten Ausruf aufgeschreckt und
nahm schließlich Notiz von ihm.
Die nachfolgende Bestellung schon im
vor hinein unterstreichend hob er die Hand und setzte gerade an die
magischen Worte zu sprechen, die ihm Eiswürfel und Alkohol
herbeizaubern sollten, als plötzlich neben ihm krächzend nach drei
Vodka Red Bull gerufen wurde.
In der Absicht die Person neben ihm mit
einem wütenden Blick zu strafen, drehte Marcel sich zur Seite und
wurde zugleich von einem hübschen kleinen Gesicht mit langen
schwarzen Haaren paralysiert.
Was sie zur Schau trug: ein keckes
Lächeln, perfekt ausbalanciert in einer Physiognomie auf dem
schmalen Grad zwischen Gut und Böse.
„Mira“ sagte sie, als hätte er
danach gefragt.
Hätte er danach gefragt?
In seinem andauernden, stummen starren
kam er sich stumpfsinnig vor.
Sie war wunderschön auf ihre eigene
Art und Weise.
Die Drinks wurden über die Theke
gereicht, hatte er so lange geschwiegen?
„Äääh...“ krakeelte Marcel der
sich Umdrehenden gegen die Schulter.
Mira sah ihn an, etwas erwartungsvoll,
die drei Gläser balancierend. „Willst du mir nicht eins abnehmen?“
Er griff zu und sagte beiläufig
„Marcel“ fügte dann noch kleinlaut „sorry“ hinzu, als wäre
es an ihm sich für irgendetwas zu entschuldigen.
Ebenso beiläufig wurde mit der Hand
abgewunken, dann angestoßen, wenige Minuten später befand man sich
in einem Gespräch über Raph, der kurz wie ein Schatten in der
wirren Menge auftauchte und sogleich wieder verschwand. Keiner von
beiden konnte sich daran erinnern, wann und wie man ihn kennengelernt
hatte, witzig aber, dass wieder einmal bewiesen war, wie klein die
Welt doch sei. Marcel als Charmeur, genau die passenden Worte in den
richtigen Momenten, selten aber erfreulich.
Lose verbunden durch Nichtigkeiten, die
in solchen Momenten zu Weltbewegendem heranwachsen. Ganz wie man es
hält.
Dann war Mira der Gespräche
überdrüssig; ob man nicht tanzen wollte? Guter Sound!
„Unbedingt!“ bekundete Marcel,
„schließlich wartet die Zeit nicht auf uns!“
IV
Ihr Körper strahlte vor Extase.
Sie wurden zusammengedrückt,
ineinander, mit jeder neu einsetzenden Bassline verloren sich ein
wenig mehr die Hemnisse. Was heißt es schon sich zu kennen, zu
wissen wer der andere ist, wenn der Körper einem schon bedeutet,
dass man sich unverfangen fallen lassen kann.
Bald küssten sie sich und lagen
einander in den Armen,
bald tanzten sie Seite an Seite und
vielsagende Blicke wurden ausgetauscht.
Mira: kein gewöhnliches Mädchen, wie
einigen ins Ohr gebrüllten, halb verstandenen, Aussagen, Fragen und
Antworten zu entnehmen ist.
Marcel dahingerissen, wie zu oft viel
zu einfach, ohne weiter zu hinterfragen.
Tanzende stießen sie an. Irgendwann
wird das störend, man wacht aber erst am anderen Mittag auf und
sieht die blauen Flecke.
Sie schlug vor eine ruhigere Ecke zu
suchen, Beine entspannen, durchaus zusammen.
Das wurde beschlossen, zunächst
trabten sie an die Bar, um sich mit Bier einzudecken, dann begann das
Suchen. Die an diesem Abend wenig beachtete Uhr sprach
dreiuhrvierundreizig, prime Time. Überall kleine und große
Interaktionen, kurzzeitig Irre an kopfeigenen Rädern drehend, Liebe
kommt, Liebe geht, genauso verhält es sich mit Freunden und oftmals
spaßigen, manchmal traurigen Bekanntschaften.
Ein Spielplatz für den Menschen als
soziales Wesen, Marcel und Mira als weitere Spielfiguren.
Man wurde aber fündig: eine der vielen
Nischen und Ecken, extra für Ausgelaugte oder Verweilende angelegt,
wurde gerade frei.
Eilig nahm man die angewärmten
Sitzkissen ein, aneinander gerückt, eine romantische Tüte gedreht.
Es wurde geredet und geredet, sich
geküsst, Sympathiebekundungen; wie recht man doch hatte mit dem was
man sagte.
In Marcel ertönte der unscheinbare
Hauch einer Stimme, die sich zaghaft fragte, ob hier etwas ernsteres
entstand. Ganz egal, was das auch bedeuten mochte.
Diese Dinge kommen immer dann, wenn man
es am wenigsten erwartet; tatsächlich geschehen sie überhaupt nicht wenn
man sie erwartet, viel eher, wenn es einem gerade überhaupt nicht
passt.
Alles steht auf dem Kopf, manchmal wird
es sogar gut.
Manchmal aber auch nicht.
Mira stubste ihn an.
„Hey.“
Er lächelte, was auch sie zum lächeln
brachte.
„Ich hät da was für uns zwei.“
Sie nestelte an ihrer Umhängetasche, „wo hat es sich nur
versteckt?“ Ihr die Haare vom Ohr streichend saß er da, gespannt
auf das, was wohl aus der Tasche gezaubert werden würde.
Endlich wurde die Hand wieder außerhalb
sichtbar, eine kleine Tüte umklammernd.
„Was ist das?“ Große Augen bei der
neugierigen Nachfrage.
„Acid.“ Die etwas zu harte
klingende Antwort.
Damit hatte er noch keine Erfahrung
gemacht, es schüttelte ihn ein wenig über die Erkenntnis hier nicht
passen zu können, wenn die magische Verbindung zwischen ihnen sich
nicht allzu früh verabschieden sollte.
Mira das Partymädchen, jetzt etwas in
ein anderes Licht gerückt, wie sie das scheinheilige, weiße Stück
Papier aus der Tüte friemelte.
Tatsächlich war aber sie diejenige,
die ihn musterte.
Etwas abschätzend, so schien es.
„Hast du Lust dir das mit mir zu
teilen?“ hauchte sie in sein Ohr, etwas zu lasziv, dafür, dass es
sich um Drogen handelte.
Marcel schämte sich unbewusst
geschluckt zu haben, war aber auch nicht sicher, ob sie das überhaupt
mitbekommen hatte. So locker wie möglich, durchaus etwas zu
gekünstelt, schnatterte er eine Zustimmung, kassierte dafür einen
Kuss auf die Nase und eine halbe Pappe auf die Hand.
Zaghaft, wie wenn man ein neues Gericht
kostet, steckte er das Papierchen in den Mund, bettete es auf seiner
Zunge und wusste nicht weiter.
Mira kicherte: „Gleich geht der Spaß
los!“
Doch Marcel war plötzlich nicht mehr
nach Spaß zumute, in ihm kitzelte es, er konnte das nicht zuordnen,
fand es sonderbar, etwas beunruhigend.
Unweigerlich glitten seine Gedanken zu
Sandra, ihrem Verhalten heute, durchaus begründet seit dem
vorletzten Wochenende, dennoch schwer erklärlich.
Es wurde wärmer, jedoch auf eine
unangenehme Art und Weise. Denn nicht die Temperatur stieg wirklich,
es schien, als würde sich Marcels Wahrnehmung erhitzen, die Farben,
die Gesichter.
Auch die Geräusche, selbst seine
Gedanken.
Schweiß trat ihm auf die Stirn,
wenigstens fühlte es sich so an, tatsächlich war er nicht sicher,
ob es nicht bloße Einbildung sei.
Grenzen gingen verloren, zwischen den
Farben, zwischen den Geräuschen; etwas Neues schien im Inbegriff
sich herauszubilden, nie gekannt, aber auch nie vermisst.
Mira redete am laufenden Band: Ihre
Sorgen, ihre Hoffnungen.
Einmal umarmte sie ihn und er schlang
sie so fest an sich, dass ein leises Keuchen zu vernehmen war. Marcel
fand keinen Halt, tiefer sank er in dieses modrig warme Moor, fühlte
sich im Kreise drehend, dann wieder gar nicht.
Marcel bescheuert, lallt er müsse auf
Klo, geht dann nicht.
Sondern schaut Mira an, die gerade
fleißig die Erweiterung ihrer eigenen Welt zu erkunden schien.
Völlig abwesend hockte sie im
Schneidersitz, Wände, Decke, Trivialitäten fixierend, bestaunend.
Fast bittend wiederholte er seine
Feststellung bezüglich der Toilette und da sie noch immer nicht
reagierte, stand er kommentarlos auf und setzte sich in Bewegung.
Die Hitze wich von ihm, die Dinge
schienen geordneter. Offensichtlich eine gute Entscheidung, obwohl
Marcel der eigentliche Grund seiner anfänglichen Erregung nicht mehr
recht bewusst war. Alles was geschah, schien vor seinem inneren Auge
über Notenlinien daherzulaufen. Mit Leichtigkeit waren Harmonien und
Disharmonien sämtlicher Begebenheiten festzustellen. Es war das
reinste Chaos, aber wenigstens konnte man es so überschauen.
Der Weg zur Toilette war
glücklicherweise einfach zu finden, Marcel schlenderte mit großen
Augen und breitem Grinsen die rund fünfzig Meter in sieben Minuten.
Wie einfach doch alles sein konnte, beispielsweise ist es möglich
die Dinge zu zählen: Fünf Notausgänge, zwei links, zwei vorne,
einer hinten. Zwei Bars mit fünf Kellnern, vier Toiletten, rund
vierhundert Gäste, circa hundertzwanzig Packungen Tabak, sechzig
Schachteln Zigaretten...
Marcel gab das Zählen nicht auf, er
zählte noch und zählte schon gar nicht mehr, als er sich im grellen
Licht vor einem Pissoir wiederfand.
Der Reißverschluss an seiner Hose
klemmte, er zog und zerrte, es wollte nicht gehen. Dabei vergaß er
alles und konzentrierte sich voll und ganz auf der widerspenstige
Stück Metall. Mit einem mal ging es dann doch und kurz darauf ergoss
sich ein dringlicher Strahl in das Pissoir.
Das Goldene begeisterte Marcel. Selbst
Pisse kann ganz schön sein, stellte er bei sich fest.
„Einiges kann ganz schön sein,“
setzte sich der Gedanke fort, „vielleicht sogar noch einmal zu Mira
zu gehen!“
Die Haare durchkämmend wusch er sich
die Hände, befand ganz gut auszusehen und trabte mit einem Lächeln
auf den Lippen aus dem Toilettenverschlag.
Er tat fünf Schritte, dann sah er sie.
Seine Schwester.
V
Sandra unter den Menschen, ein bisschen
auffälliger als die unbekannten Gesichter, wie nahe und geliebte
Personen immer in Massen erscheinen.
Sandra in seine Richtung gedreht.
Sandra und ihre einnehmenden Augen.
Unweigerlich, aber nicht abgelehnt
schritt Marcel wie automatisch auf sie zu. Stand mit einem mal vor
ihr.
„Na“ flüsterte sie obgleich der
Lautstärke völlig verständlich, ganz so, wie nur Sandra das
konnte.
Eine Gänsehaut stellte sich auf
Marcels Armen ein.
Wieder dieser Blick.
Marcel auf einer Jolle, stürmische See
bei blitzerhellter Nacht.
Er musste einfach durchhalten, nicht
weil er sich zu sehr ans Leben klammerte, sondern weil der Sturm ihn
reizte, herausforderte.
Der große Bruder vor der kleinen
Schwester.
Zwei sich ähnelnde Körper, völlig
unterschiedlich.
Ineinander verstrickt und doch immer
nur parallel.
„Schön dich zu sehen.“ sagte er
und brachte sie damit in Verlegenheit, fand es im nächsten Moment
auch nicht mehr angebracht und wurde seinerseits verlegen.
„du... ich...“ Sandra starrte auf
den Boden, wusste nicht recht was sagen, „wir... Marcel...“
„Was ist denn Sandra?“ war das
blödeste, dass ihm zu sagen einfiel, er sprach es trotzdem aus.
Was los war lag für Marcel auf der
Hand.
Die Party vor zwei Wochen, zwölf
Stunden Megarave, das Event des Jahres.
Aber eigentlich war es viel mehr
danach, im fiebrigen Kreis von dreizig – vierzig Leuten. Eine
verschwitzte, verdunkelte Wohnung, Zigarettenqualm, vor Lachen
verzerrte Mienen, Luft zum durchschneiden.
Mit synthetischer Liebe angefüllte
Neuronen.
Groß angelegte Diskussion über die
Wichtigkeit staatlich subventionierter Musikinstrumente, frei
zugänglich für jedermann. Am besten in sämtlichen Großstädten
der Welt!
Marcel und Sandra nebeneinander auf dem
Boden, die Hände haltend, geschwisterlich.
„purpursorbetfarbene
Gedankenbrücken!“ Sie kicherte über seine niedlichen
Bezeichnungen für ihre drogenbedingte, intensive Zuneigung.
Ein gutes Team, stellte man fest.
Dann wechselte der Dj, neuer Sound,
Bewegung in der Diskussionrunde.
Aufstehen, sich verwirrt umschauen, was
nun tun?
Die Geschwister beschlossen, sich einen
ruhigeren Raum zu suchen, keine Musik, man hatte gerade ein
interessantes Gesprächsthema gefunden: Hemmingway und die Liebe –
leidlich durchzukauen.
Das Schlafzimmer war unbelegt, aber man
hatte das Thema schon wieder vergessen, deshalb begnügte man sich
damit auf dem Bett liegend die Decke anzustarren und Tiergeräusche
zu mimen.
Es ist nicht ganz sicher, wer dann
anfing.
Plötzlich lagen sie aufeinander,
küssten sich stürmisch, streichelten sich gegenseitig, immer
heftiger, bis sie sich schließlich anfingen die Kleider von den
Leibern zu streicheln.
Ihre Küsse wurden immer hektischer,
ihre Nähe intensiver;
sie konnten nicht mehr denken,
verfielen in die leichtmütige Impulsivität des Spieles der Liebe.
Lagen irgendwann erschöpft wieder da
und betrachteten die Decke.
„Ich bin schwanger.“ Er erstarrte.
Sie weinte.
Die Worte wuchsen. Sie wurden riesig!
Immer weiter, in unfassbare Höhen. Sie schossen! Türmten sich auf!
Dann fielen sie hernieder. Begruben ihn unter sich.
Er keuchte, konnte nicht atmen.
Sandra war weg, alles war weg.
Nur noch Marcel stand da, vollkommen
umhüllt von Nichts.
Die Worte drückten immer stärker, er
schrie.
Schrie um sein Leben!
Ungeachtet der Last rannte er los,
alles war wieder da, auf ihn fixiert! Lichter, Leute, Laute; sie alle
nur auf ihn gerichtet. Schrien ihn an, versuchten ihn aufzuhalten.
Dann war er draußen und nichts war
mehr so, wie er es kannte.
Dienstag, 27. Mai 2014
Luftkopfspringer
Forsch floh an diesem Tage
der Sinn und Zweck
zukunftsorientierter Gedankenbrücken.
Sie sind eingestürzt,
da geht niemand mehr drüber.
Wohlgleich es doch so eingebläut war,
man konnte es fast vom Himmel ablesen.
Das stand fest,
einzig bis es ins Wanken geriet,
nämlich einfach dadurch,
dass sich gefragt wurde,
was denn heute passiere.
Und was dann passiert ist,
war ein seichtes springen,
über Momente.
Wie viel man wirklich sehen kann,
kann man nur fühlen.
Meist dann in der Luft,
bevor schon wieder gelandet wird.
Auf und ab,
ganz so wie es halt ist.
Das ist dann die Entscheidung:
Am Wegesrand oder in der Mitte springen.
der Sinn und Zweck
zukunftsorientierter Gedankenbrücken.
Sie sind eingestürzt,
da geht niemand mehr drüber.
Wohlgleich es doch so eingebläut war,
man konnte es fast vom Himmel ablesen.
Das stand fest,
einzig bis es ins Wanken geriet,
nämlich einfach dadurch,
dass sich gefragt wurde,
was denn heute passiere.
Und was dann passiert ist,
war ein seichtes springen,
über Momente.
Wie viel man wirklich sehen kann,
kann man nur fühlen.
Meist dann in der Luft,
bevor schon wieder gelandet wird.
Auf und ab,
ganz so wie es halt ist.
Das ist dann die Entscheidung:
Am Wegesrand oder in der Mitte springen.
Freitag, 4. April 2014
Anfang und Ende sind Namen des gleichen Begriffs
Wie seichter
Schneefall stand sie da.
Schlohweiß.
Wunderschön.
Wäre man ganz
nah an sie heran gegangen, so hätte sich das pulsierende Blut in
ihren Adern hören lassen.
Er die Arme so
weit geöffnet wie möglich, bebend in leidenschaftlicher
Anstrengung.
Zwischen ihnen
nichts als Distanz, endlose, doch trotzdem so eng zusammen, dass die
Entfernung furchteinflößend gewirkt hätte. Und tatsächlich, jetzt
fingen sie ein wenig an zu zittern, erst unmerklich, dann etwas
stärker und schließlich schüttelten sie sich.
Er die Arme
ausgebreitet, sie stumm und weiß.
<Wohin gehen wir Marie?>
Leichtes
Unbehagen in den Augen, Worte können soviel zerstören.
Das nicht tun,
niemals.
Keine Antwort,
keine gesprochene, nur Blicke die sich treffen und mehr zu sagen
vermögen als all die verbrauchten Floskeln und Binsenweisheiten, mit
denen man um sich zu werfen pflegt, wenn man nicht den Mumm besitzt
sein Herz anstatt seinen Kopf sprechen zu lassen.
Das ist
Ehrlichkeit.
Die Antwort etwas ehrlich nicht zu wissen.
Gleichsam eine
unausgesprochene Gegenfrage:
<Wohin gehen wir Leonard?>
Aber nur die
Bekundung von Unwissenheit und Unkenntnis durch das Abwenden von
ihrem Antlitz; er konnte es auch überhaupt nicht wissen, schließlich
waren sie beide noch nie hier gewesen.
Falls man es
irgendwann noch einmal braucht: Wenn es so etwas wirklich gibt, dann
ist das die große Leere. Hier gibt es nichts an dem sich zu
orientieren möglich wäre, also ist es ratsam von vornherein keinen
Versuch dahingehend zu unternehmen. Das nur nebenbei bemerkt.
Die Zeit stand
still. Es muss wohl kalt gewesen sein, zumindest zitterten sie noch
immer, obwohl sie keine Angst mehr verspürten.
Wovor auch.
Höchstens etwas
komisch mochten sie sich vorkommen, wie sie da so standen, sie kalt
und undurchsichtig, er hingebungsvoll nichts umarmend.
Seine Gedanken
flogen dahin; ob es stimmte, dass sie sich schon einmal alles
gesagt hatten, was man sich sagen konnte? Es war ein Rätsel, wie
dergleichen ein zweites mal hätte geschehen können, aber die Stille
bewies erschreckend, dass dieselben Fehler einen immer und immer
wieder passieren können, gleich wie sehr man sich auch anstrengen
mag sie zu vermeiden.
Das mag
täuschen, auf einen erneuten Versuch lohne es sich bestimmt ankommen
zu lassen.
Nur die
richtigen Worte hatten sich versteckt, wie es die meisten Dinge
taten, wenn sie wirklich gebraucht wurden.
<Woher kommen wir Marie?>
Und darauf schien sie eine Antwort zu wissen. Eine winzige Träne
troff wie ein einsamer Kristall ihre blasse Wange hinunter.
Da war es auch ihm klar, doch er wollte es noch nicht wahrhaben.
In Paris war man nie gewesen, obwohl oft davon die Rede war. Es gab
noch mehr, ein riesengroßer Haufen voller toller Ideen, manche
abstrakter als andere, aber allesamt erst einmal behutsam abgelegt,
vertröstet auf späteres abtragen.
Dann Stück für Stück, bis es irgendwann Zeit für einen neuen
Haufen sein würde.
So war es bei den meisten, so viele tolle Einfälle, man hätte einen
ganzen Ozean damit füllen mögen.
Schade, dass immer so unfassbar viel liegenblieb, eine Tages könnte
kein Platz mehr sein, alles schon geplant und erträumt!
Dann würde man es hier lagern können dachte Leonard, dann gebe es
auch mehr zu tun als zu zittern vor Ungewissheit oder Verdrängung.
Was nur geschehen sein mochte? Mit ihnen, bevor das so weiterging.
Ein warmer
Tee auf einem kalten Fenstersims, irgendwo vor Amsterdam, Amstelveen
vielleicht. Die Beine übereinander gelegt und gestreichelt,
ineinander verschlungene Geister, weit weg von Zuhause.
Eine weitere Träne floh aus ihren Augenwinkeln hinab ins Ungewisse.
Beinahe gelassen wie sie da stand, oder teilnahmslos, der Unterschied
ließ sich nicht ausmachen.
Es war wohl hauptsächlich diese Kälte in ihr, dieser Schnee, wie in
einer kleinen Kugel mit Panorama, nur dass sie sich selbst
schüttelte.
Verwunderlich, dass ihm seine Arme nicht schwer wurden, obwohl er
noch immer wie empfangend auf irgendetwas wartete. Was auch immer das
sein mochte. Es war schwierig gewesen, natürlich nicht von Anfang
an, die Angelegenheiten neigen dazu sich erst mit der Zeit zu
verkomplizieren, was unbestreitbar eine bodenlose Frechheit ist mit
der man sich abfinden muss.
Etliche schöne Momente und dann kann man sich einfach nicht mehr
dazu durchringen alles gemeinsame wegzuwerfen, also beginnt das
sichern und retten von dem was übrig ist, dann wird es zur Pein und
selbst das scheint seine schönen Seiten zu haben.
Die Kunst liegt darin Auswege zu finden, auch Ideen, auch auf Haufen
gestapelt, aber auf anderen, jene die am seltensten abgetragen
werden.
Die Reise nach Amsterdam war auf so einem Haufen gewesen. Leonard
erhielt Klarheit, von jener Art, wie er sie an unzähligen still
verkrochenen Abenden herbeigesehnt hatte.
Es war gut das Ganze ohne wenn und aber betrachten zu können.
Vielleicht zum ersten mal.
Warmer Tee
auf einem kalten Fenstersims, zwei Zentimeter Glas vom grauen
regnerischen Tag getrennt. Leere Gefühlsduseleien wo keine Gefühle
mehr zu finden sind.
Reisen,
gemeinsame Passion und Ablenkung durch Unternehmung, die durchdacht
sein wollte.
<Leonard?>
Ihr Mund blieb geschlossen, doch die anmutige Eleganz der zierlichen
Frauenstimme zerriss die Stille und ließ den Raum in seinen
Grundfesten erbeben. Ein Mensch hat solche Kraft nicht, hier hatte
ein Gefühl gesprochen.
Es war ganz kurz wieder als wäre nichts gewesen, doch nur ein
Atemzug und nervenzerreißende Spannung durchflutete jede einzelne
von Leonards Zellen. Jetzt war noch nicht alles gesagt worden.
Regentropfen
perlten sich in Eile von der angerosteten Motorhaube des VW Golf.
Beobachtet durch zwei Augenpaare, leicht verquillt, da erst gerade
nach ungeruhsamen Schlafe erwacht.
Das Wetter packt einen meist von hinten bei den Achillessehnen um den
Boden unter den Füßen verlieren zu machen, was mithin die
hinterhältigste Federführung für Striche durch Rechnungen
darstellt. Die Verbissenheit jedoch weiß sich kunstvoll durch bloßes
ignorieren der Tatsachen darüber hinwegzusetzen.
Schließlich musste man immer weitermachen!
Abscheulicher,
wässriger Tee. Abscheuliche, wässrige Welt.
So etwas kann
gar nicht schön sein, ganz im Gegenteil scheint es einem den
Verdruss mit Fäusten ins Gesicht schlagen zu wollen. Ob man gut
geschlafen habe wurde gefragt und ein Zeichen setzend kam die
gebrummte Antwort, dass die Nacht eher durchwachsen gewesen sei.
Man ist sich
der Möglichkeit der Stimmungsmache in jegliche Richtung durchaus
bewusst, wahrscheinlich befindet sich wie bei den zum Schutz
vorgehaltenen Tassen ein Knacks in der Kopfgegend. Henkel besitzen
sie aber durchaus. Immerhin.
Gerade
deswegen besann man sich darauf still zu trinken und den anhaltenden
Regen zu beobachten.
Noch
auszureifende Pläne wurden vorgetragen; umkehren?
Keine Option.
Das Wetter
würde sich mit Bestimmtheit aufklären, weiterfahren wäre
empfehlenswert, immerhin war nicht gerade viel Zeit Schönes
miteinander zu erleben. Nur ein Wochenende, dann ginge es zurück in
den Alltag und alles müsse wieder gut sein.
Und es war
schon Samstagmorgen!
Leonard blickte Marie an.
Sie weinte nicht mehr, zu zittern hatte sie aufgehört. Dafür sah
auch sie ihn an, in ihn hinein und dann wieder ihre Stimme zwischen
geschlossenen Lippen: <Es tut mir leid.>
Sachen wurden
in Windeseile gepackt, dabei gemurmelte Verwünschungen auf Gott und
die Welt; selbstverständlich war man sich darüber im klaren, dass
die Grundlage eine bessere hätte sein können, aber Plan war Plan
und zumindest in halber Sicherheit wurde sich gewägt, dass eins zum
anderen finden könne.
Autotüren
schlugen zu, quietschende Reifen schickten sich an den Vorplatz einer
leicht heruntergekommen Autobahnraststätte auf nimmer Wiedersehen
den Rücken zu kehren.
Dem Regen tat
das sichtlich leid, zum Beweis beweinte er all das Unglück der Welt.
Noch rund 50
Kilometer zu fahren, nicht mehr weit bis es besser gehen würde.
Im Radio lief
„white satin“, die Stimmung angespannt.
Ob er nicht
fahren solle, schließlich war die Sicht schlecht.
Das wäre
schon okay, immerhin war seine Nacht nicht gut gewesen, sie wolle ihm
einen Gefallen tun.
Eigentlich
wollte sie sagen, dass sie sich für die bessere Fahrerin hielt, das
musste untergründig mitgeschwungen sein.
Dicke Luft.
Es war nicht
recht fair, das wusste sie, aber es stimmte und das wusste er.
Volle Fahrt,
man wollte schnell sein.
Er hätte
besser geschlafen, hätte sie nicht soviel Platz in Anspruch
genommen.
Gehässige
Stichelei, darauf nicht einsteigen.
Und was wenn
doch?
Niemand habe
ihn gezwungen neben ihr zu schlafen!
Die
Zündschnur entfacht.
Vielleicht
sollte er sich das noch einmal überlegen in nächster Zeit neben ihr
zu schlafen.
Wutentbrannt.
Vielleicht
sollte er sich verdammtnochmal zum Teufel scheren.
Die Bombe
platzt!
Seine Arme
wie zum offenen Angriff ausgebreitet, sie ihn mit ihrem kältesten
Blick durchdringend, das Gaspedal vor Wut durchgetreten.
Rasend
schnell bäumt sich der Hass auf, wenn man ihm freien Lauf lässt.
120 Sachen,
er ansetzend ihr irgendeine Beleidigung entgegenzuschmettern.
Das Herz zu
brechen.
Sie ihm
zugewandt.
Der Fahrer
ihm Auto vor ihnen verliert die Kontrolle, Aufprall.
In der Luft.
„Never
reaching the end.“
Dann
erstarrt. Für immer.
Seichter
Schneefall und weit geöffnete Arme.
Sonntag, 23. März 2014
Von entschwindenen Ohrwürmern
Nimm mich zur
Seite,
streich mir
durchs Haar,
wo immer du auch
hingehst,
der Wind trägt
unsere Melodien zusammen.
An einen
wunderschönen Ort,
der durch keinen
menschlichen Gedanken verdorben.
Der durch keinen
Blick entwürdigt,
dieser elenden
gelehrten Augen,
die nicht mehr
wissen zu weinen,
erblindet durch
Meere von Impressionen.
Ich nehm dich in
die Mitte,
leg den Arm um
dein Wesen,
wo immer ich
auch hingehe,
das Lied wird
noch gespielt irgendwo.
Auf einer alten
Jukebox,
einsam zwischen
staubigen Dielen, fleißigen Mäusen.
Ganz für sich
erklingt es,
für niemandes
Ohr mehr.
Alles vor
bretterbeschlagenen Fenstern,
schlägt den
Takt für Vorübergehende.
Es verhält sich
wie ein Schauspiel,
was leichtweg
als Realität betitelt.
Jeder unserer
Schritte,
ist ein
Tintenfleck auf Papier.
Die einzige
Gewissheit ist,
dass jede
Geschichte enden mag,
wenn die Seiten
voll sind.
Alles was
dazwischen kommt,
wird Stück für
Stück ausgefüllt,
angefüllt,
mit all den
Momenten,
die man
letztlich,
starrenden
Auges,
in der
Dunkelheit
mit der Decke
und sich selbst teilt.
Ich dachte oft,
jetzt ist es
weniger,
dass es schön
wäre,
wenn wir uns
irgendwann
unsere
Geschichten einmal vorlesen könnten.
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